Was ist die Basis von guter Kommunikation? „Am Anfang war das Wort“, ein Satz aus dem Buch Genesis, der – obwohl über viele Jahrhunderte relevant – längst überholt ist. Hingegen Descartes’ These, dass Gefühl und Verstand getrennte Welten sind, hat sich seit dem 17. Jahrhundert bis vor wenigen Jahren tapfer gehalten. Mit dem Satz, „Ich denke, so bin ich“, hat der französische Philosoph, Mathematiker und Wissenschaftler die damalige Gesellschaft nachhaltig geprägt. Auf diesem Gedanken basiert auch das Modell des Homo oeconomicus, dessen System einer bestimmten rationalen Präferenzordnung folgt. Ein Modell, das man in der Wirtschaftswissenschaft nutzt und davon ausgeht, dass ein Mensch in der Lage ist, rein rationale Überlegungen anzustellen, oder mindestens zu simulieren. Antonio R. Auch diese Theorie gehört inzwischen der Vergangenheit an. Domasio ist einer der renommiertesten Neurowissenschaftler unserer Zeit und hat mit dem Buch Desartes’s Irrtum grosse Diskussionen ausgelöst. Er stellt die Gegenthese auf, „Ich fühle, also bin ich“. Nur eine Wortspielerei oder eine Versönung zwischen Körper und Geist?
Die kognitive Neurowissenschaft bringt heute die Beweislage, dass das Gehirn viele bewusste und unbewusste Prozesse hinter sich hat, bis das Sprachzentrum aktiv wird oder noch genauer ausgedrückt, dass diese Prozesse nicht sequenziell sondern parallel laufen. Rationalität und Emotionen sind enger miteinander verbunden als bisher angekommen. Viele Untersuchungen zeugen sogar von einer Abhängigkeit zwischen emotionalen und rationalen Abläufen. Sie sind Voraussetzung für unser Selbstverständnis.
Was heisst das für Management und Leadership. Ich pflege diese beiden Begriffe zu trennen. Denn unter Management verstehe ich Abläufe struktureller und materieller Art. Unter Leadership verstehe ich die Fähigkeit, Mitarbeiter zu begeistern und zusammen zu halten. In beiden Rollen, und jede Führungskraft trägt beide Hüte, ist Kommunikation das absolut zentralste Führungsinstrument. Interessanterweise geht es in beiden Rollen um Vertrauen. Ein Mitarbeiter vertraut dem Manager, wenn sinnvolle Strukturen, durchdachte Prozesse und verlässliche Kennzahlen vorhanden sind. Oder wenn die Arbeitslast fair verteilt ist und wenn allen klar ist, woran sie gemessen werden – aber auch, wohin die Reise gehen soll. All das muss verständlich und stufengerecht vermittelt werden und leicht zugreifbar sein, immer auch in schriftlicher Form. Das schafft Ordnung, Ordnung schafft Sicherheit und Sicherheit schafft Vertrauen.
Leadership hingegen basiert auf Menschenbild und Weltbild; hat mit Haltung, Einstellung und Werten zu tun. Diese Form von Kommunikation beschränkt sich nicht auf Mitarbeiterinformationen oder one2one’s mündlicher oder schriftlicher Natur. Diese Form von Kommunikation findet permanent, verbal und nonverbal statt. Es ist nicht nur das, was Mitarbeiter in Form von Sprache hören und lesen, sondern das, was die Mitarbeiter spüren.
In diesem Sinne ist schweigen auch Kommunikation. Lachen, nachfragen, bestätigen, unterstützen, anzweifeln, hinterfragen, hin- und wegschauen, präsent sein, abwesend sein – alles ist Kommunikation. Ein Spektrum, das wir unmöglich mit dem Verstand kontrollieren können. Niemand ist in der Lage, jede
seiner Regungen über den Verstand zu kontrollieren.
Was jetzt?!? Versuchen wir es mit einer Umkehrung. Starke Leader überprüfen ihre innere Haltung zu sich selbst, zu den Kollegen, zu den Mitarbeitern – mit welchem Menschenbild laufen Sie durch die Gegend? Glauben Sie an eine Zukunft des Planets Erde, Ihrer Partei oder Ihrer Firma? Überprüfen Sie ihre Einstellung. Sind Sie selbst von einer Sache überzeugt oder sind Sie kritisch oder sogar negativ? Sie sehen, wir reden zwar von Gedanken. Was sie aber von einer mathematischen Formel oder einer Statistik unterscheidet, sind die damit verbundenen Gefühle. Nun drängt sich die nächste Frage auf! Kann nur Superman auch ein Leader sein?
Ich mache die Erfahrung, dass die Kollegen und die Mitarbeiter einen Leader wünschen, der eine Vision hat und an diese glaubt. Auf der Reise dahin gehen Dinge schief, manchmal verliert man sogar den Kurs – jetzt ist Ehrlichkeit und Authentizität gefragt. Kürzlich habe ich einen CEO erlebt, der sagte, ich glaube fest daran, dass wir das schaffen, zurzeit weiss ich aber gerade nicht wie. Wir müssen experimentieren, lernen und optimieren.“ Was auf den ersten Blick wie Schwäche aussah, wirkte äusserst positiv auf die Mitarbeiter des Unternehmens. Denn alles andere hätten sie ihm sowieso nicht abgenommen. Ihre Mitarbeiter checken mehr als Sie denken – schliesslich arbeiten sie ja in Ihrer Firma.
Versuchen Sie es also doch einmal mit der umgekehrten Formel von Genesis, Descartes und Domasio. Oft fühlen wir eben zuerst, bewusst oder unbewusst. Dann denken wir und zuletzt sprechen wir. Folglich müssten wir uns unserer Gefühle bewusst machen. Erst dann wissen wir, auf welchen fruchtbaren Acker oder sauren Mist unsere Gedanken ihre Wurzeln geschlagen haben. Folglich ist Selbstreflektion die Basis von jeder guten Kommunikation. Verhalten kommt von Haltung und genau so verehält es sich mit Kommunikation.
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