Ob und für wen wir als Vorbild gelten, das entscheiden nicht wir selbst, sondern der unser Gegenüber. Fakt ist, nicht nur Kinder lernen durch das Nachahmen ihrer Vorbildet. Und es gibt natürlich auch hier – wie bei allem – zeitabhängige Trends.
Einer der Trends ist, den Fokus auf Gewinnmaximierung mit einem neuen Fokus – den auf die Entwicklung auf eine sinnstiftende Zukunft – zu ersetzen. Wie wichtig ist also die Vorbildfunktion für die Wirt- und die Gesellschaft?
Fleischlose Küchen, alternative Energie, Gesundheitstrainer, wiederverwertbare Materialien, Gemeinschaftsimmobilien, Wirtschaftsethik und kooperative Unternehmenskulturen sind klare Anzeichen für diesen neuen Trend. Das bedeutet auch, dass es veraltete und zukunftweisende Profile von Vorbildern gibt. Was gestern hipp war, ist heute out … selbst dann, wenn das alte Konzept aktuell in der Bilanz noch erfolgreich ist. Ich habe kürzlich mit einem High Potential im Bereich Vermessungstechnik einer äusserst erfolgreichen Firma sein 360° Feedback besprochen: Die Ergebnisse waren top. Nur: Er wird leider die Firma verlassen, weil ihm die Normativen der Firma zu monetär-lästig sind. „Allein darum geht es doch längst nicht mehr“, sagte der promovierte, sympathische Mann.
Wozu brauchen wir (Vor)Bilder? Alles, was neu ist, hat einen kreativen und schöpferischen Hintergrund und wird im Grosshirn über die Fähigkeit der Vorstellungskraft und komplexem Denken in ein Verhalten mit einer spezifischen Absicht überführt. „Alles Verhalten ist (hierdurch) veränderbar, wenn dies auch manchmal in der Praxis schwierig zu erreichen ist“ (Roth/Strüber 2015). Intrinsische (von innen motivierte) Entscheidungen können also durch Verstärkungsprogramme und Vermeidungslernen gesteuert werden. Das bedeutet, über ein Bewusstmachen der Konsequenzen des Verhaltens. Durch das Bewusstwerden von negativen Konsequenzen von bestimmten Verhalten, die nahe genug sind, dass sie berühren und doch so weit entfernt sind, dass sie zu anderem Handeln motivieren, ähnlich wie es in der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) angewendet wird. Tatsache ist, dass der Mensch sein Verhalten auf innere Bilder (Vorstellungen, Visionen, Absichten) und Vorbilder ausrichtet, teils bewusst aber viel häufiger unbewusst.
Ob und für wen wir als Vorbild gelten, das entscheiden nicht wir, sondern unsere Gegenüber. |
Die Wissenschaft ist sich nicht einig, ob der Verstand (bewusst) oder der Instinkt (unbewusst) die Oberhand hat. Wäre es der Instinkt, würde dies bedeuten, dass wir gar nicht so soziale Wesen sind, wie wir das von uns selbst glauben möchten, wie das Prof. Gerhard Roth in seinen Forschungsarbeiten nachweisen kann. Die Impulse, die uns der Instinkt schickt sind oft nicht sozialverträglich. Und der Einfluss des Verstandes sei beschränkt. Das wird von vielen anderen Forschern heftig dementiert. Nur liegt Roth wirklich so falsch? Meist wird zwar die Nase nicht blutig geschlagen. Schauen wir jedoch genau hin, zeigt sich die blutige Nase vermutlich in Form von rasant zunehmenden psychischen Instabilitäten bei Mitarbeitern und Vorgesetzten. Ausser Frage ist, dass das Trieb- und Persönlichkeitssystem zwangsläufig miteinander verbunden – und voneinander abhängig sind. Idealerweise arbeiten sie miteinander und nicht gegeneinander und führen zu einem mehrheitlich sinnstiftenden humanitären Verhalten des intelligenten Menschen, ähnlich wie zwei Tanzpartner, die gemeinsam erfolgreich sind (Vgl. Bauer 2015: Kap. 1). Und genau an dieser Stelle ist es relevant, wem ich nachstrebe, ist es der erfolgreiche Egozentriker oder der verantwortungsvolle Leader. Joachim Bauer ist ein überzeugter Verfechter der Idee, dass wir mit dem präfrontalen Cortex Vorstellungen – innere (Vor)Bilder – entwickeln und teilweise verwirklichen können. Tatsache ist, dass der Mensch durch die bewusste Lenkung der Aufmerksamkeit, bestimmte neuronale Netzwerke aktivieren kann, während andere folgerichtig in den Hintergrund des Bewusstseins sinken. Diese Form der Selbststeuerung sei weit mehr als eine Tünche über den Trieben und Persönlichkeitsmerkmalen, schreibt er (Vgl. Bauer 2015: 21).
Vorbilder haben nicht eine Funktion, sondern eine Mission. |
Die Forscher wissen, dass kognitive cortiale Strukturen wie der dorsolaterale Cortex als Sitz von Einsicht und Verstand (bewusst), sowie die Amygadala und der Nucleus accumbens und das Stratium im limbischen System (unbewusst) von grosser Bedeutung sind, um eine kulturelle Transformation erfolgreich durchzuführen. Folglich ist es sinnvoll, diese Aspekte in einem Change- oder Transformationsprojekt zu berücksichtigen – denn sonst schwimmen wir gegen einen Strom und kommen nie dort an, wo wir ursprünglich wollten. Könnte das nicht der Hintergrund für das häufige Scheitern dieser Projekte sein. Denn Nachhaltigkeit wird nur dann eintreffen, wenn die Veränderung als positiv bewertet wird. Unumstritten ist, dass wir aus der Fähigkeit zur Reflektion, zur Impulshemmung, zum Belohnungsaufschub, zum Abwägen von Alternativen hin zu einem bestimmten Ziel eine gewisse Autonomie entwickeln können. Der Mensch ist wie alle Primaten abhängig von den Strukturen seines Gehirns. „…aber das Gehirn selbst kann sich aufgrund dieser Fähigkeiten „aus sich heraus“ verändern, wenngleich nur in bestimmten Grenzen. So kann uns doch ein einziger gehörter oder gelesener Satz ändern, indem er Dinge in uns wachrüttelt, die im Vorbewussten verborgen waren… (Roth 2014: 382).
Die Führungskraft hat die Macht, Normative zu bestimmen und leiste damit einen Beitrag an die Entwicklung der Gesellschaft. |
Die Rolle des Vorbildes rückt in den Vordergrund der Führungsrolle. Schenken Ihnen die Mitarbeiter das Vertrauen, dann werden sie sich mit Ihnen konstruktiv auseinanderzusetzen und kreative Prozesse setzen Auseinandersetzung voraus. Bezeichnet der Mitarbeiter die Führungskraft als Vorbild (seinem Welt- und Menschenbild entsprechend herausragend), dann ist er bereit, etwas zu unterstützen – selbst wenn er eine andere Sicht der einzelnen Dinge hat. Er vertraut darauf, dass sein Chef das Richtige will und auch nach bestem Wissen und Gewissen darauf hinarbeitet. In der Frage zum Vorbild geht es nicht darum der Beste zu sein. Es geht um Authentizität zusammen mit Integrität und dem Willen, für den Mitarbeiter ein Umfeld zu schaffen, in dem er eine zeitgemässe Zukunftsvision verwirklichen kann. Menschen suchen vermehrt Persönlichkeiten, die für eine sinnvolle Sache kämpfen, statt sich immer nur mit der Spitze des Baumwipfels zu (ver)biegen. Vorbilder haben nicht eine Funktion, sondern eine Mission.
Weltbild, Menschenbild und Vorbild sind im Grunde genommen ein und dieselbe Sache. Denn das Vorbild entspricht dem vorhandenen Profil des persönlichen Menschenbildes, und das wiederum passt nahtlos in das persönliche Weltbild. Aus dieser Sicht betrachtet, kann ich Roth nur zustimmen, in diesem Sinne sind wir determiniert – was bleibt, ist die Wahl zwischen Alternativen innerhalb dieser Normativen. Als Führungskraft und Leader habe ich die Macht, diese Normativen zu bestimmen – und vorzuleben – und leiste damit einen Beitrag an die nachhaltige Entwicklung des Unternehmens und der Gesellschaft.
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