Die Macht der Gewohnheit – Fluch oder Segen?

Die Macht der Gewohnheit – Fluch oder Segen? contradanza

Gewohnheiten sind der grosse Stopper von Veränderung. Dies ist wiederum fatal, wenn es darum geht, neue Wege zu gehen. Die Macht der Gewohnheit scheint vielen Innovationen den Weg zu versperren. Sind Gewohnheiten grundsätzlich etwas Hinderliches? Und wenn sie hinderlich sind, gibt es ein Mittel dagegen?

Der Gehirnforscher Prof. Dr. Erst Pöppel* von der Uni­versität München konnte 2007 nachweisen, dass wir bis zu 20.000 Entscheidungen pro Tag treffen. Jede Handlung und jede Tätigkeit braucht eine Entscheidung. Der Irrtum ist, dass wir diese überwiegend ­bewusst treffen. Es sind mehrheitliche unbewusste Prozesse. Ein Grossteil davon wird den Gewohnheiten zugeordnet.

Sind Gewohnheiten grundsätzlich hinderlich? Ganz im Gegenteil! Sie reduzieren den kognitiven Aufwand und der Mensch hat dadurch Ressourcen für andere Aufgaben frei. Denn obwohl die Leistungsfähigkeit von Mensch zu Mensch variiert, so gibt es doch für jeden Grenzen. Das bedeutet wiederum, dass es eine neurobiologische Instanz, beziehungsweise ein System gibt, welche diese Verfügbarkeit organisiert. Unter diesem Aspekt müssen wir dankbar sein, dass wir in der Lage sind, uns an Abläufe so zu gewöhnen, dass sie mit einem Minimum an neurologischer Aktivität in erster Linie im stark limitierten Arbeitsgedächnis sicher bewerkstelligt werden können.

Gewohnheiten vermitteln uns ausserdem ein Gefühl der Si­cherheit und damit verbunden emotionales Wohlbefinden, was oft mit Komfortzone betitelt wird. Dieses Wohl­gefühl führt dann zu dem Wunsch nach Wiederholung. Ausserdem, was wir aus Gewohnheit tun, tun wir häufig richtig, was jedoch nicht zwingend bedeutet, dass es gut für die Sache ist.

Nehmen wir das Autofahren als Beispiel: Wenn wir lernen Auto zu fahren, muss jede Bewegung bewusst ausgeführt werden. Eine hohe Komplexität kognitiver Leistungen führt uns an die Grenze des Machbaren. So stellt uns das Auto ab, wenn wir losfahren möchten, weil wir die Kupplung zu früh losgelassen haben oder wir übersehen einen Fussgänger am Strassenrand weil unsere Aufmerksamkeit beim abbiegenden Lastwagen vor uns war. Je besser die wiederholenden Routinen eingeübt sind, desto mehr Aufmerksamkeit steht uns für das ständig Ändernde zur Verfügung und es passieren weniger Fehler. Das Risiko sinkt – sofern das Gehirn nicht in einen passiven oder schläfrigen Zustand gerät. Die Statistik zeigt, dass das hohe Vorkommen von Autounfällen bei Junglenkern nicht primär wie angenommen auf zu hohe Tempi zurück zu führen ist, sondern auf ein „Übersehen“ einer relevanten Gegebenheit. Ein ähnliches Phänomen stellen wir bei älteren Autofahrern fest. Hier geht es nicht um den Mangel an Gewohnheit, der hinderlich ist, sondern eine Reduktion der Leistungsfähigkeit des Arbeitsgedächnisses – mit demselben bedauerlichen Ergebnis allerdings.

Was auf der einen Seite gut ist, wird allerdings auf der ande­ren zum großen Problem: Gewohnhei­ten begren­zen uns oft in unseren möglichen Handlungen, sie ma­chen uns blind für neue Wege oder sie behin­dern uns in unserer Agilität. Heutzutage ist gerade Agilität eine unabdingbare Voraussetzung für das Bestehen einer Unternehmung. Die Rahmenbedingungen des Marktes, inklusive der Währungsschwankungen, ändern fortlaufend und die Unternehmen versuchen auf diese Veränderungen zu reagieren. Oft scheint die Reaktionszeit eher träge – was nicht verwunderlich ist, wenn wir bedenken, was diese permanente Veränderungsflut mit uns macht. Sie verunsichert. Aus neurologischer Perspektive müsste man in der Tat  die kritische Frage stellen, wie viel Veränderung ist wirklich notwendig. Oder wird auch häufig verändert, nur damit der Schaden der letzten Veränderung im Dunst der Restrukturierung verblasst?

Eine Führungskraft sollte sich gut überlegen, wo Veränderung wirklich notwendig ist und diese konsequent und auf allen Ebenen durchdringend durchsetzen. Mit einem Übermass an Veränderungen riskieren wir, dass die Mitarbeiter nicht mehr mitkommen, dass sie in den Wiederstand gehen, dass sie verunsichert sind und die Fehlerquote massiv steigt, dass resigniert wird, weil Mann oder Frau das einfach nicht schafft. Wäre sich die Führungsetage bewusst, wie viel Ressourcen vergeudet werden, für Veränderungen, die nicht zwingend sind, würden sie häufig anders entscheiden. Denn die Änderungswut belastet die Produktivität des Unternehmens in einem krassen Ausmass. Keine Frage: Gewisse Veränderungen sind nützlich…aber nur dann, wenn wir sie um- und durchsetzen.

„Noch schöner als Visionen zu haben ist, sie zu verwirklichen.“ Liz Hirn, *1984

 

Umgewöhnen – aber wie?

 Oft rede ich mit CEO’s über ihre Sorgen um die innere Einstellung ihrer Mitarbeiter. Woher kommt diese bedrückte Stimmung? Dafür gibt es viele Argumente. Wenn man aber zwischen den Zeilen liest, dann läuft es meist in eine Richtung. Die überholte Binsenwahrheit: Fleiss und Betroffenheit gehen einher mit Erfolg. Heute ist nach wie vor beides wichtig, aber ein Garant für Erfolg ist es längst nicht mehr. Selbst intelligente Geschäftsideen setzten sich nicht durch. Das ist anstrengend und führt vielerorts zu Erschöpfungszuständen und Frustration. Um diese Frustration zu vermeiden, ist es notwendig die gewohnte Einstellung zu verändern. Auch das ist kein Geheimnis und wird in vielen Mitarbeiterinformationen vorgetragen. Nur allein damit ändert sich nichts.

Im Prinzip gibt es ja nur zwei Ansatzpunkte: Entweder die Mitarbeiter bleiben in der kollektiven Depression (von lateinisch deprimere „niederdrücken“) oder sie brechen aus. Beide Wege sind heute gang und gäbe, beide Wege sind jedoch in der Haltung jedes Einzelnen völlig unterschiedlich. In der kollektiven Depression werden Sorgen und Ängste nach aussen projiziert. Das bedeutet, diese Menschen kritisieren andere und suchen das Haar in der Suppe, selbst wenn gute Nachrichten verkündet werden. Hingegen bei den Ausbrechern, legen die Mitarbeiter und die Vorgesetzten wert auf konstruktives Feedback, sie sind lösungsorientiert und betrachten jede Aufgabe als eine Entwicklung hin zum Besseren. Dies ist eine anhaltende Bewegung hin zu einem besseren Zustand. Und wenn dieser Zustand erreicht ist, dann wird der nächst-bessere Zustand angepeilt. Den Mängeln wird lediglich so viel Aufmerksamkeit geschenkt, wie sie brauchen, um verstanden zu werden und korrektive Massnahmen zu identifizieren. Hier hat man Spass am Prozess, Spass an der Verbesserung und Spass daran, als Gemeinschaft am selben Strick zu ziehen.

Prof. Dr. Elliot Aronson** dozierte an der Universität von Kalifornien in Santa Cruz. In seiner Zeit als Professor beobachtete Aron­son, dass seine Studenten ein ziemlich unbeschwertes Sexleben führten. Der Respekt vor Aids war kaum vorhanden. Nur 17% der Studenten hatten gemäss seiner Umfrage geschützten Sex. Aronson war überrascht und wollte etwas für die jungen Menschen tun. Im Prinzip gab es dazu nur zwei Ansatzpunkte: Entweder weniger Sex oder Präservative nutzen.

Sein Ansatz war simple und wirkungsvoll zugleich: Er machte die Studenten zu Botschaftern! Er ließ sie Studien schreiben und Vor­träge halten. Er entwickelte also eine Kampagne, bei der die Studen­ten eine Bot­schaft verkünden mussten, die sie selber anders lebten.

Dieses Prinzip nennt man auch „kognitive Dissonanz“, das heisst eine innere Spannung erzeugen, die jeden persönlich aufwühlt und zum Denken anregt. Sechs Monate später, als Aronson seine Proban­den noch einmal interviewen liess, stellte sich heraus, dass bis zu 70 Prozent der Studenten, die an seiner Kam­pagne teilnahmen, etwas mehr Zurückhaltung übten oder Kondome benutzten.

Diese Theorie an einem einfachen Beispiel angewendet, zeigt grundsätzlich, wie wir Menschen dazu bringen, eingefahrenen Meinungen und Verhaltensweisen zu verändern. Wir binden Sie in den Prozess ein. Wir machen Sie zu Mitverantwortlichen einer Mission und geben Ihnen Gelegenheit sich damit auseinander zu setzen, sich zu profilieren, sich sichtbar zu machen. Über geschicktes Coaching wird dafür gesorgt, dass sie sich über einen längeren Zeitraum hinweg mit dem Thema befassen. Wichtig ist die Kontinuität – ein Workshop zu dem Thema und ein paar Transferaufgaben werden im Sand verlaufen. Zusätzliche grosse Projekte würden den Rahmen der bereits sehr belasteten Mitarbeiter und Führungskräfte sprengen. Die Übungen müssen in den Alltag hineinfliessen. So wie sie beim Laufen Musik hören können, so können sie auch eine Prise neues Denken, neue Routinen, neue Betrachtungsweisen in alle Besprechungen und Sitzungen einfliessen lassen. Ihre Sprache wird sich verändern, so dass das Gegenüber spürt, dass es Fehler machen darf, solange die Richtung stimmt. Wer keine Fehler machen darf, der steht still. Was es braucht, ist ein Experte, der die Dosen in einer adäquaten Menge an die Leader verabreicht und ihnen hilft, die eigenen Erfahrungen nach „unten“ zu tragen, wenn es auch bei dieser Form von Leadership kein Oben und Untern gibt, sondern in erster Linie ein Gemeinsames nach vorne.

Gewohnheiten sind folglich sowohl Fluch wie Segen! Gewohnheiten geben uns Sicherheit und legen Ressourcen frei. Viele unserer Höchstleistungen wären nicht möglich, wenn nicht der Grossteil des kognitiven Prozesses im unbewussten, limbischen System automatisiert würde. Die Gewohnheit wird erst dann zum Fluch, wenn sie wie das Rauchen der Gesundheit schadet oder wie das Lästern eine Arbeitsklima vergiftet oder wenn Skeptiker sinnvolle Prozesse blockieren. Gewohnheiten sind folgerichtig ein Segen, wenn sie der Entwicklung einer Unternehmung – der Entwicklung eines Menschen – und generell der Entwicklung des Lebens dienen.

* Pöppel habilitierte in Sinnesphysiologie in Psychologie. Von 1976 bis 2008 war Pöppel Professor für Medizinische Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. 2005 wurde er für seine Leistungen mit der Bayerischen Verfassungsmedaille in Silber ausgezeichnet. 2015 wurde er in die Academia Europaea gewählt.
** Elliot Aronson (geb. 9. Januar 1932) ist ein US-amerikanischer Psychologe, der durch seine Beiträge zur Sozialpsychologie und Pädagogischen Psychologie bekannt wurde, insbesondere durch sein Standardlehrbuch „Sozialpsychologie“, seine Forschung zur Kognitiven Dissonanz und seine Gruppenpuzzle-Unterrichtsmethode.
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